Nichts als Kunst?Die Nok-Kultur ist durch bis zu lebensgroße Tonfiguren bekannt, die zur ältesten Skulpturalkunst Westafrikas zählen. Darüber hinaus gehören die in den 1960er Jahren auf Nok Fundplätzen ausgegrabenen Schmelzöfen immer noch zu den frühen Zeugnissen der Metallurgie in Westafrika. Die anspruchsvolle Technologie, die zur Herstellung lebensgroßer Terrakotten und dem Verhütten von Erzen notwendig ist, läßt auf die Fertigkeiten von Spezialisten schließen. Im Langzeitprojekt sollen die sozio-kulturellen Hintergründe dieser Entwicklung geklärt werden. Die Nok-Kultur war lange Zeit fast nur im Rahmen des internationalen Kunstmarkts ein Begriff, wo die prachtvollen Plastiken für viel Geld den Besitzer wechselten. Kennzeichnend für die stilisierten Tier- und Menschendarstellungen sind elliptische bis dreieckige Augen, deren Pupille durch eine Vertiefung angedeutet ist. Individuelle Merkmale wie Bärte, Schmuck und extravagante Frisuren oder Kopfbedeckungen betonen die kunstvolle Ausführung der ausdrucksstarken Terrakotten. Die raue und körnige Oberfläche ist auf Erosion zurückzuführen. Der ehemals glatte Engobe Überzug ist verwittert. Abgesehen von Miniaturen, die nur wenige Zentimeter messen, sind die großen Figuren hohl, in Aufbautechnik hergestellt und extrem grob mit Granitgrus gemagert. Nur ausnahmsweise sind die Terrakotten vollständig. Aus wissenschaftlich dokumentiertem Kontext sind nur Fragmente erhalten. Entdeckungsgeschichte Lange Zeit gab es keine Grundlage, von Nok als "Kultur" zu sprechen, also einem Komplex mit immer wiederkehrenden, fest definierten Merkmalen, die sich bei den Fundobjekten, aber auch in Wirtschafts- und Siedlungsweise immer wieder finden. Tatsächlich war vom kulturellen Hintergrund der Nok-Kultur überhaupt nichts bekannt, denn es waren zunächst nur die Figuren bekannt, und die stammten aus Raubgrabungen und somit unbekannten Fundumständen. Überlegungen bezüglich der Funktion der Figuren oder deren kulturellem Kontext sind daher in hohem Masse spekulativ. Für eine Einordnung als "Königskunst" oder als Vorläufer der bekannteren Ife Terrakotten gibt es zwar gute Argumente, aber die Belege fehlen. Einem britischen Archäologen, Bernard Fagg, sind die wenigen wissenschaftlich fundierten Kenntnisse zur Nok-Kultur zu verdanken. In der Mitte der 1960er Jahre führte er zusammen mit seiner Tochter Angela Ausgrabungen an Nokfundplätzen in der Nähe von Abuja, der Hauptstadt Nigerias, durch. Am bekanntesten wurde Taruga. Hier haben die Faggs mehrere Eisenverhüttungsöfen gefunden, die 2500 Jahre alt sind und immer noch zu den ältesten Hinweisen für Metallverarbeitung in Westafrika zählen. Trotzdem wurden erstaunlicherweise zunächst keine Anstrengungen unternommen, die kulturellen Hintergründe der Nok Kultur näher kennenzulernen. Neue Forschungen an der Nok-Kultur 2005 lernten wir die ersten Fundstellen kennen und wurden erstmals mit den Auswirkungen des internationalen Kunsthandels konfrontiert. Fast alle Fundplätze sind durch Raubgrabungen in Mitleidenschaft gezogen und im Einzelfall völlig zerstört. Kleinflächige Ausgrabungen in ungestörten Arealen sind in den meisten Fällen jedoch noch möglich. Mittlerweile kennen wir auch eine Reihe Plätze, die nahezu oder sogar völlig ungestört sind. Zahlreiche Ausgrabungen führten bereits zur Erstellung einer Keramikchronologie, Einblicken in die Wirtschaftsweise, Bevölkerungsdichte, Metallurgie. Seit 2009 steht die Erforschung der Nok Kultur im Zentrum eines Langzeitvorhabens der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Die Grundlage bildeten archäologische Forschungen im Rahmen der DFG- Forschergruppe 510 "Ökologische und kulturelle Umbrüche in Zentral- und Westafrika". Im Fokus standen soziokulturelle Umbrüche, die sich in der Mitte des ersten vorchristlichen Jahrtausends im nigerianischen Tschadbecken und in Kamerun abspielten. Einige Merkmale des Umbruchs wie eine erhöhte Bevölkerungsdichte, Landwirtschaft und spezialisiertes Handwerk ließen sich auch bei der Nok-Kultur dokumentieren. Die vielversprechenden Ergebnisse erlaubten den Entwurf eines Forschungskonzeptes für die nächsten 12 Jahre, das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft als Langfristprojekt bewilligt wurde. In Anbetracht der Größe des Untersuchungsraums konzentrieren wir uns zunächst auf einen Kleinraum (ca. 340 km²) im Zentrum des Gesamtverbreitungsgebiets. Erst in späteren Abschnitten des Projekts sollen die in der "key study area" gewonnenen Erkenntnisse im restlichen Untersuchungsraum geprüft werden. Das Projekt besteht aus vier Abschnitten: Phase 1: Prospektion, Chronologie und Infrastruktur Phase 2: Siedlungsstrukturen Phase 3: Regionale Diversität Phase 4: Abschluß des Projekts |